Studienfahrt nach Auschwitz 2019
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Man hört die Zahlen im Geschichtsunterricht, sieht Bilder, kennt die Geschichte, die unserer Nation anhaftet, und dennoch bereitet dich das nicht auf das vor, was du dort siehst. Viele haben den ersten Tag als „Schlag ins Gesicht“ beschrieben und ich finde, das ist die beste Beschreibung des Besuches des Auschwitz-Stammlagers I. Nach einer Führung durch das jüdische Viertel in Krakau haben wir am Dienstagmittag das Stammlager besucht. Wir sind durch das verhängnisvolle Tor gegangen, die Worte „Arbeit macht frei“ über uns. Unsere vierstündige Führung hat vielen von uns die Sprache verschlagen. Jeder kennt die Bilder von den Massen an Schuhen und der Rampe. Doch war dort so viel mehr. Mehrere Hundert Kilo Menschenhaare haben wir gesehen, noch Original aus der Zeit, Tausende von Brillen, Koffern, Pinseln, Bürsten, Geschirr. Manchmal sind das die letzten Überbleibsel der Menschen. Besonders hart war die Todesmauer, eine Hinrichtungsstätte, wo mehr als 5000 Menschen erschossen wurden. Man steht dort davor und sieht diesen Ort. Direkt vor den eigenen Füßen starben so viele Menschen. Dieses Gefühl wird man auch danach nicht mehr los. Die Gaskammer hat alle berührt. Zu wissen, man ist einer der wenigen Menschen, die lebend aus diesem Gebäude wieder herausgehen können, ist erdrückend. Ein paar von uns haben Kratzspuren dort gesehen. Die Kratzspuren verzweifelter Menschen, die einen aussichtslosen Kampf mit dem Tod führten. Die Ausstellung Israels war beeindruckend. Das Buch mit den 4 Millionen Namen von ermordeten Juden hat viele bewegt. Ich habe eine Doppelseite mit meinem Nachnamen gefunden und diese Seiten waren groß, mehr als hundert Menschen mit meinem Namen sind zur NS-Zeit ermordet worden. Nach diesem Tag waren die meisten von uns sprachlos und bedrückt. Viele hatten Tränen in den Augen und in dem Gesprächskreis konnten wir unsere Eindrücke mit den anderen teilen. Der zweite Tag war für viele etwas leichter. Man war innerlich vorbereitet, wusste schon ungefähr, was einen erwartete. Am Vormittag haben wir uns mit Einzelschicksalen beschäftigt. Bewegend waren viele und unsere Gruppe war erschrocken aufgrund der schamlosen Ausbeutung von Kindern, die die Ärzte damals veranlassten. Fotos von Auschwitz, Berichte von Überlebenden und verschiedenste Dokumente wurden eingesehen und jeder hat seine eigenen Erfahrungen gemacht. Im zweiten Teil des Vormittags haben wir uns mit Dokumenten beschäftigt, die von bestimmten einzelnen Personen noch vorhanden sind. Manchmal gab es nur den Eintrag, wann die Person nach Auschwitz gekommen war, und die Sterbeurkunde. Im Nachhinein meinte die Historikerin, die uns betreut hat, dass sie nur Fälle genommen hat, von denen es viele Dokumente gibt. Am Nachmittag konnten wir uns selbstständig die Länderausstellungen anschauen. Sie waren sehr verschieden in Informationen und Gestaltung. Manche waren abgedunkelt und nur bestimmte Stellen erhellt, andere waren voller Zeitungsausschnitte und Bilder, wieder andere hatten Musik im Hintergrund laufen. Der Donnerstag war für viele von uns noch extremer als die ersten beiden. Ich habe gedacht, Auschwitz I sei groß. Dann habe ich Auschwitz-Birkenau (Auschwitz II) gesehen. Auschwitz-Birkenau ist ungefähr 10 Mal so groß wie Auschwitz I. Die Ausmaße sind gigantisch. Wir haben die Gleise gesehen, auf denen die Menschen wie Tiere hin transportiert worden sind, das Tor, die Baracken, in denen die Menschen gelebt haben, wenn sie denn überhaupt registriert worden sind und nicht gleich ermordet wurden. Wir haben die Todesbaracken gesehen, in die die Menschen kamen, die schwach und krank waren und wo sie zum Sterben dort gelassen wurden. Wir haben die Ruinen der Gaskammern und Krematorien gesehen, die vielen Schornsteine, von endlos vielen Baracken. Wir haben den Ort gesehen, wo das Gepäck, der Ermordeten auseinandergenommen wurde und alles verwertet wurde. Selbst heute findet man noch kleine Gegenstände und Scherben, die noch original dort liegen. Wir haben einen See gesehen, in den die Asche der verbrannten Opfer hineingekippt wurde, und wir haben tausende Fotos von Menschen gesehen, wie ihr Leben vor Auschwitz war. Tausend kleine Idyllen einfach zerstört. Nach unserer Führung haben wir eine kleine Gedenkfeier abgehalten, mit Texten, Buchausschnitten, Gedichten und einem Gebet. Gott, Wo warst du? Wo warst du in der Zeit des Holocaust? Wieso mussten sie sterben? Wieso wurden tausende Menschen Opfer dieser grausamen Gewalt? Wie konntest du es zulassen? Wie konntest du zulassen, dass aufsteigende Machtansprüche zu diesen Gewalttaten geführt haben? Weshalb wurden sie verurteilt? Weshalb wurden sie verurteilt nach ihrer Rasse, Religion oder Aussehen? Gott, Wir können es nicht begreifen und haben keine Antworten auf all diese Fragen, aber wir können dir vertrauen, dass uns so etwas Schreckliches nicht widerfährt. Amen Henriette & Verena Am Abreisetag haben wir Schindlers Fabrik besichtigt, ein unglaublich gelungenes Museum, das unter anderem auch den Film „Schindlers Liste“ aufgreift, den wir auf der Hinfahrt gesehen haben. Danach durften wir noch Krakau genießen und unsere Zeit selber gestalten. Insgesamt war die Fahrt sehr gut, und ich kann sie wirklich empfehlen. Jeder von uns fand es beeindruckend und war froh, dabei gewesen zu sein. Einzigartige Eindrücke wurden gesammelt, die wir für unser Leben mitnehmen werden. Das dort Gesehene vergisst man so schnell nicht wieder. Vom Anschlag auf die Synagoge in Halle haben wir, die wir gerade in Auschwitz waren, wohl mit besonders starkem Entsetzen gehört. Dennoch war die Fahrt nicht nur traurig. Es gab auch schöne Momente. Momente, die Mut gegeben haben, in denen man gesehen hat, es gab auch Menschen, die versucht haben, das Leben dort so gut wie möglich zu gestalten, Momente, wo Menschen gezeigt haben, dass sie kämpfen. Es gab Momente, auf der Rückfahrt, wo man wieder lachen konnte und sich freuen konnte. Abends haben wir uns oft noch in den Zimmern getroffen, geredet, gespielt und auch Spaß gehabt. Abschließend möchte ich mich im Namen aller für die großzügige Förderung der Fahrt bedanken. Unterstützt wurden wir finanziell von der Heinrich-Böll-Stiftung in Halle und der IBB gGmbH, dem Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund, das seine Mittel aus dem Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP) erhält. Die Landeszentrale für politische Bildung und die Geschichtswerkstatt Merseburg waren hilfreiche Partner in allen Fragen der Organisation und Beantragung. Darüber hinaus erhielten wir Unterstützung durch zwei pädagogische Begleiter, Karina Nowak und Moritz Kehr von der Geschichtswerkstatt Merseburg. Magdalena Ritter (Jahrgang 11) Fotos: Lena Ritter (3), Bruder Clemens (1) Weitere Aktionen: - Artikel drucken |