Zehn Tage (Er)Leben und Genießen wie Gott in Frankreich

„Ihr werdet nicht mehr nach Hause wollen“, behauptete eine Gastmutter am fünften Tag, als wir auf dem Weg zum Park waren. Wir haben sie nicht ernst genommen. Wer hätte auch geahnt, dass zehn Tage Frankreich so erlebnis-, lehrreich und begeisternd sein können?

All das begann am Mittwoch, dem 25. März 2009, als am Flughafen Leipzig-Halle eine Gruppe von sechzehn Leuten zusammenwuchs. Vierzehn Schüler aus der neunten Jahrgangsstufe und zwei Lehrer wollten gemeinsam zehn Tage lang Frankreich entdecken. Das Ziel unserer Reise war Toulouse. Mit der „ville rose“ im Süden Frankreichs pflegt unsere Schule seit Jahren einen regen Austausch. Dieses Jahr waren nun wir die glücklichen Reisenden.

Toulouse erreichten wir mit einiger Verspätung, da wir den Anschluss in Paris verpasst hatten. Das minderte die Spannung keineswegs. Wer, was erwartete uns? Die Antwort wartete hinter der nächsten Glastür. Dort standen unsere „corres“ vom Collège Jolimont, genauso ungeduldig und schüchtern wie wir. Es dauerte nicht lange, bis sich die Partner gefunden und begrüßt hatten und schon war jeder auf sich allein gestellt. Wir trafen uns erst wieder am nächsten Morgen zum Empfangsfrühstück in der Schule – und hatten uns einiges zu erzählen. Nach einer Führung durch das Gebäude hatten wir die erste Gelegenheit, die Franzosen beim Unterricht zu beobachten. Dazu waren wir in Vierergruppen aufgeteilt, jede besuchte eine andere Klasse. Dabei fielen uns schnell grundlegende Unterschiede zu Deutschland auf. Nicht die Lehrer wechselten die Räume, wir Schüler mussten laufen. In Frankreich gibt es nämlich keine Klassenräume, jeder Lehrer hat sein „salle“. Und wer hier eine Stunde Französisch mitmachte, musste sich gedulden. Die dauerte wie alle Stunden ganze 55 Minuten und konnte schnell langweilig werden. Aber das Programm ging noch weiter. Nach der Mittagspause, die schon um 12:00 beginnt, fuhren wir Deutschen mit der Metro alleine zum Musée des Abattoirs, einem Museum für moderne Kunst, zu dem auch eine große Parkanlage gehört. Und während die Daheimgebliebenen in Deutschland die achte Stunde über sich ergehen ließen, lagen wir auf der Wiese in der Sonne, genossen den Blick auf Palmen und blühende Kirschbäume und fühlten uns wie im Urlaub.

Am Freitagmorgen trafen wir uns gleich am Bus, um zusammen nach Albi zu fahren, eine historische Stadt mit einer bekannten Kathedrale. Die besichtigten wir jeweils mit unserem Partner und bearbeiteten diverse Aufgaben. Nach einem Gang durch den Garten erkundeten wir außerdem das Museum mit Werken des Künstlers Toulouse Lautrec. Hungrig erreichten wir etwas später Cordes. Dort fand sich Zeit für ein ausgiebiges Picknick, wofür wir von der Schule bestens ausgestattet worden waren. Wir ließen uns Baguettes, Tomaten und Kekse schmecken und genossen anschließend noch eine Stunde Freizeit. Nachmittags erreichten wir Toulouse und verbrachten den Rest des Tages mit unseren Partnern.

Das Wochenende erlebte jeder unterschiedlich mit der Gastfamilie. Die Meisten blieben in Toulouse und lernten die Stadt genauer kennen. Jedenfalls hatten wir uns eine ganze Menge zu erzählen, als wir uns am Montag um acht Uhr im CDI (entspricht unserer Bibo) wiedertrafen. Eine Stunde später trafen wir uns wieder in den Kleingruppen und erlebten zwei weitere französische Unterrichtsstunden. Dann war Eile geboten. Zum Empfang im Rathaus wollten wir nicht zu spät kommen und wieder war es die Metro, die uns ins Zentrum brachte. Inzwischen war noch eine Gruppe Spanier angekommen, sodass es eine ziemliche Masse war, die da von der stellvertretenden Toulouser Bürgermeisterin begrüßt wurde. Das Picknick genossen wir diesmal im Sonnenschein an der Garonne und erkundeten anschließend in deutsch-französischen Gruppen das Zentrum der Stadt. So waren wir erst nachmittags zurück in der Schule und verbrachten den Rest des Tages in den Familien.

Am Dienstag begrüßten wir uns bereits vorbildlich Französisch. Heute war wieder eine Exkursion geplant. Diesmal brachte uns der Bus bis an die Küste. Am Strand von Gruissan verdarb uns allerdings das Wetter die Urlaubsstimmung. Es war windig und regnerisch, sodass sich kaum jemand mit den Füßen ins Wasser traute. Diejenigen können aber mit Recht behaupten: Wir waren sogar im Mittelmeer…
Das Picknick wurde wegen des Wetters auf einen Rastplatz auf halbem Weg nach Carcassonne verschoben. Dort nämlich machten wir als nächstes Station. In der mittelalterlichen Stadt fiel es nicht schwer, das Wetter zu überbrücken. Dort reiht sich Geschäft an Geschäft und in einer Stunde Freizeit gab es viel zu sehen. Nach einem Besuch des Schulmuseums machten wir uns schließlich auf den Weg nach Hause – Toulouse war unser Zuhause inzwischen geworden.

Am Mittwoch konnten wir ausschlafen und trafen uns erst um neun Uhr im Park zum Sportfest. Dort wurden wir mit den Spaniern und Franzosen in Gruppen gemischt. Anschließend entdeckten wir Station für Station das Spiel Rugby – und waren uns in den meisten Fällen schon bald sicher, dass das nicht unser Lieblingssport werden würde. Die sicherste Technik, nicht längs auf dem schlammigen Rasen zu landen, war die, den Rugby gar nicht erst in die Hände zu bekommen.
Beim Handballtournier ging es friedlicher zu. So hatten wir alle unseren Spaß gehabt, als wir um zwölf Uhr wieder mit unseren „corres“ nach Hause gingen. Den Nachmittag konnten wir mit unseren Gastfamilien verbringen.

Der Blick auf den Kalender zeigte erschreckenderweise, dass Donnerstag schon der vorletzte Tag in Toulouse war. Heute war einiges zu tun. In verschiedene Gruppen eigeteilt arbeiteten wir zu zwei Themen. Eine Hälfte reflektierte die bisher erlebten Tage und fertigte dazu Poster an, der Rest beschäftigte sich mit dem Thema „die perfekte, ökologische Schule“ und baute aus Kartons und Pappen das ideale Schulgebäude. Damit hatten wir bis zur Mittagspause gut zu tun. Am Nachmittag konnten wir hingegen noch einmal richtig entspannen. Beim Shopping in der Stadt genossen wir die Freiheit und fanden gleichzeitig eine prima Gelegenheit Souvenirs und Geschenke zu kaufen. Unsere „corres“ verbrachten diese Zeit im Unterricht. Zur Abschiedsfeier am Abend kamen aber alle; Franzosen, Spanier und Deutsche. Gemeinsam machten wir uns erst über das Büffet her. Im Verlauf des Abends gingen die Vorstellungen allerdings deutlich auseinander. Während die Spanier nicht mehr zu halten waren, sangen, johlten und tanzten (erstaunlicherweise, ohne sich dabei um die Musik zu kümmern), keimten bei uns die ersten wehmütigen Abschiedsgedanken auf. So müssen die Spanier uns Deutsche wohl für schrecklich stieselig halten – aber nach Feiern war uns einfach nicht zumute.

Der richtige Abschied stand aber noch bevor. Am Freitag erschienen wir mit gepackten Koffern und trafen uns noch einmal im Deutschraum. Dort nutzten wir die Gelegenheit, um letzte Erinnerungsfotos zu schießen und Unterschriften auf Taschen und Mützen zu sammeln. Verständlich, dass kein Auge trocken blieb, als wir ein letztes Mal die Schule Richtung Metrostation verließen. Schließlich ist uns die Gruppe aber auch die Stadt in diesen zehn Tagen ans Herz gewachsen. Soviel haben wir erlebt, gelacht, gelernt, dass nichts schwerer fiel als der endgültige Abschied. Doch nur wenige Stunden später hoben wir ab Richtung Paris und hatten abends um halb sieben wieder deutschen Boden unter den Füßen.

Und? Der Gastmutter müssen wir wohl Recht geben. Den nächsten Flug nach Toulouse würden wir sofort nehmen. Wem ist das zu verdanken – den Familien natürlich und unseren „corres“, nicht zuletzt aber unseren Begleitern, Frau Müller und Frau Schaff, die uns während der zehn Tage in Toulouse immer zur Seite standen. Ein Dank geht auch an das Collège Jolimont und Madame Rode, die Deutschlehrerin, die für mehr als nur den Koffertransport zum Flughafen verantwortlich war.

Damit ist aber erst eine Hälfte des Austauschs vorbei. Denn im Juni besuchen uns die „Toulouser“, um mit uns zusammen Halle und Umgebung zu erkunden. Wir können sie ja schon einmal vorwarnen: „Ihr werdet nicht mehr nach Hause wollen…“

Anne-Kirstin Berger,9c